Die Größentheorie

Die ´Größen´-Theorie oder…die Zukunft liegt in der Welt des Kleinen

Intro:

Größe bedeutet in der Wirtschaft in erster Linie: große Gewinne, grenzenloses Wachsen (Fusionen) sowie allgegenwärtige Schädigung von Umwelt und Natur. Gleichzeitig verlieren – trotz beständigem Wirtschaftswachstum – immer mehr Menschen ihre Arbeit und die Schere zwischen arm und reich klafft immer weiter auseinander. Größe ist also offensichtlich der falsche Weg. Schauen wir uns unter diesen Gesichtspunkten den Mittelstand an, der in Deutschland 95 % (!) der Arbeitsplätze bereitstellt, so erkennen wir schnell, worauf seine eigentliche Stärke beruht. Hier finden wir in der Mehrzahl Betriebe mit 1 – 300 Beschäftigten. Im Handwerk sind es gar nur 1 – 20 Beschäftigte. Nicht nur seine Flexibilität, sondern vor allem seine überschaubare Größe lässt den Mittelstand zum größten Arbeitgeber der Welt werden.

Es soll nachfolgend gezeigt werden, warum für viele der großen gesellschaftlichen Probleme des 21. Jahrhunderts die Lösung in der Welt des Kleinen liegt.

Wegweiser hierfür ist das bahnbrechende Werk Leopold Kohrs: „Das Ende der Großen – Zurück zum menschlichen Maß“ (erstmals erschienen 1986 im Orac Verlag, Wien).

 

Die These

Alle Formen sozialen und wirtschaftlichen Elends unserer Zeit haben nur eine Ursache: Ihre GrößeChina-Shanghai - Großstadt

Etwa in Anlehnung an die Bevölkerungsdoktrin von Thomas Malthus, der – stark vereinfacht vermittelt hat, dass die Probleme einer Gesellschaft, die über ihre optimale Größe hinausgewachsen ist, sich rascher entwickeln, als die menschliche Fähigkeit mit ihnen fertig zu werden.

Die Theorien

Mit vielerlei Theorien hat man versucht die Ursachen für die Leiden und das soziale Elend dieses Universums zu erklären: In der Antike wurden die meisten Schwierigkeiten mit dem Groll der Götter in Verbindung gebracht. Im Mittelalter wurde die Ursache des Elends weniger dem Zorn der Götter als der Schlechtigkeit eines bösen Geistes zugeschrieben (Hexen-Theorie).

Die Neuzeit rief eine große Anzahl Verfechter verschiedenster Theorien auf den Plan. Wobei jeder für sich die alleinige Wahrheit proklamierte und doch keine befriedigende Antworten liefern konnte. So erklärte die kosmische Theorie Elend, Krankheit und Krieg über das gelegentliche Auftauchen von Kometen oder veränderten Magnetfeldern (ließ jeweils die Frage offen, weshalb trotz schlechtester Konstellationen selbst im Zentrum der Weltkrieg führenden befriedete Flecken blieben, z.B. die Schweiz).

Die psychologische Theorie,

die dieses Elend der Frustration und beständigen Unzufriedenheit des Menschen zuschreibt. Auch diese Theorie versagt in der Kleinstaatenwelt.

Die personengebundene Theorie,

die das soziale Leiden den Absichten böser Menschen zuschreibt, etwa Hitler, Stalin, Franko etc. (bleibt die Frage, weshalb diese Menschen überhaupt eine solche Zerstörungskraft entwickeln konnten).

Die geschlechtergebundene Theorie.

Es sind immer wieder Männer, die Kriege führen und macht- und geldgierig das Geschehen bestimmen. Verblüffend ist diesbzgl. nur, dass alle Umfragen unter Frauen immer wieder das gleiche Bild liefern: kaum eine wünscht den friedliebenden Pantoffelhelden, der nur von Sanftheit und Lyrik umwindet ist. Stark und männlich soll er sein. Durchsetzungsfähigkeit allenfalls mit Zärtlichkeit gepaart sein. Und: Frauen, die in Machtpositionen kommen, können härter sein als Männer (siehe Birgit Breul, Margret Thatcher u.a.).

Die ideologische Theorie,

die die alleinige Verantwortung in unheilvollen Ideologien sucht. (Ungeklärt hier: Ist der Kommunismus an sich schlecht oder liegt das Übel in der Ausgestaltung oder der Machtversessenheit der Führer?). Oder sind es vielleicht böse kulturelle Traditionen, wie der preußische Militarismus, der britische Kolonialismus oder der Hang der Deutschen zum artigen Befehlsempfänger und -Ausführer? Oder ist der Nationalismus an allem Schuld? Weshalb ging dann aber von einem der nationalistischsten Völker des europäischen Kontinents, den Dänen, im 20. Jahrhundert der Weltkriege keine Aggression aus?

Das Scheitern

All die vorstellig genannten Theorien erklären Bruchstücke der Geschichte oder von Entwicklungen, scheitern aber ausnahmslos an der Erklärung von Ausnahmen und wenn sie diese versuchen zu erklären, verwechseln sie in der Regel primäre und sekundäre Ursachen oder kollidieren bei dem Versuch, die Aufmerksamkeit von imaginären auf sekundäre Ursachen umzulenken.

Neue Suche

Also liegt es nahe, über andere Ursache-Wirkungs-Theorien nachzudenken. Wenn z.B. der Kommunismus in Nordkorea als furchterregend empfunden wird, der im ehemaligen Tito-Jugoslavien weniger und der in San Marino uns eher erheitert, als Angst einzuflößen.

Die Dimension

So können wir ja für jeden vorab genannten Erklärungsversuch eine oder mehrere Ausnahmen präsentieren. Ganz offensichtlich müssen wir uns, wenn wir wirklich zu den Wurzeln vorstoßen wollen, mit den Dimensionen (an sich) befassen.

Der Herrscher

Ein Hitler im Großdeutschen Reich war eine Katastrophe für die Welt. Der gleiche Mann im Einflußbereich von Hintertupfingen, wäre von niemandem wahrgenommen worden.

Kapitalismus

Der Kapitalismus in aufstrebenden, entwickelten Volkswirtschaften schaffte selbst in Zeiten der Spezialisierung und Arbeitsteilung neue Arbeitsplätze, solange er sich auf überschaubare Absatz- und Beschäftigungsmärkte beschränkte. Es ist also im Grunde nichts gegen das kapitalistische Wirtschaftssystem einzuwenden, das auf Grund des komparativen (steigernden) Kostenvorteils für Spezialisierung, Mechanisierung/ Industrialisierung, freien Handel und gemeinsame Märkte eintritt. Aber es ist nicht für alle Entwicklungsphasen und noch weniger für alle Größenordnungen tauglich. Auch die Finanzspekulanten können nur deshalb so elementare Krisen erzeugen, weil Sie gigantische Summen bewegen und damit über eine ungeheure Macht verfügen.

Globalität

Die globalen (Beschäftigungs-) Märkte konterkarieren den Erfolg dieses Wirtschaftssystem. Die Beschäftigungskrise ist dabei, in den hochentwickelten ´Global-Player-Industriestaaten´, das System mitsamt dem sozialen Frieden ins Elend zu stürzen. Zudem setzt die kapitalistische Wirtschaftsweise voraus, dass die jeweilige Gesellschaft ein hohes Maß an sozialer und ökonomischer Reife entwickelt hat, bevor sie die jeweils nächste Entwicklungsstufe erklimmen kann und auch dies muss einer gesamtheitlichen Prüfung inner- und außerhalb der Grenzen standhalten können.

Sprich: erst wenn sich das angrenzende Land oder der potentielle Handelspartner auf annähernd gleichem sozialen und ökonomischen Niveau wie der ´Anklopfende´ befindet, kann ein harmonisches und fruchtbares Ganzes entstehen.

Dritte Welt“

´Freihandelsabkommen´ (und ähnliches) der hochentwickelten, westlichen Industrieländer mit sogenannten Entwicklungs-/ Schwellenländern sind somit immer Einbahnstraßen. Krasser gesagt: nett verpackter Ausbeutungskolonialismus.

Eines von vielen (betrüblichen) Beispielen:

Burkina Faso ist eines der ärmsten Länder der Welt (18 Mio. Einwohner). 50 % des Exports besteht aus Baumwolle. Damit wird jährlich ca. 60 Mio. Dollar erzielt, wovon wiederum 80 % der Bevölkerung leben. Die USA zahlt ihren Baumwollproduzenten 3 bis 4 Mrd. Dollar / die EU 0,75 Mrd. Dollar an Subventionen jährlich. Bei unverfälschtem Wettbewerb würde Burkina Faso 122 Mio. Dollar Exporteinnahmen erzielen und könnte damit locker auf die 30 Mio. Entwicklungshilfe und Weltbankkredite verzichten, selbst Schulen bauen, etc.

Teilung

Da moralisches, physisches oder politisches Unheil offensichtlich in der Hauptsache von der Dimension abhängt, es sich demnach um ein Problem der Größenordnung handelt, liegt die einzige Lösung dieses Problems darin, die Substanz bzw. den Organismus, der seine natürliche Größe überschritten hat, zu reduzieren. Es handelt sich also grundsätzlich nicht um ein Problem des Wachsens, sondern um des ´Nicht-weiter-Wachsens´. Die Lösung heißt deshalb nicht Zusammenschluß, sondern Teilung.

Kleine Macht

Der kleine Staat, die mit der entsprechenden Machtfülle ausgestattete Kommune oder Stadt, ist aufgrund ihrer Natur immanent demokratisch. Denn die Macht der Regierenden ist durch die Kleinheit des Körpers begrenzt. Der Bürger/das Individuum ist – im Umkehrschluß – immer stark. In kleinen Staaten ist der Raum zwischen Bürger und Staat so eng, dass sich die konkurrierenden Kräfte stets in einem leichten und mobilen Gleichgewicht befinden.

In einem kleinen Staat wie Liechtenstein, ist der Kontakt zum regierenden Oberhaupt dadurch herstellbar, dass man den Klingelknopf des fürstlichen Regierungssitzes drückt und ihm anschließend sein Verlangen vorträgt.

Kontaktaufnahme

In einem großen Staat wie der BRD oder der USA ist schon die bloße formelle Kontaktaufnahme unmöglich. Sollte man beharrlich an seinem Wunsch festhalten, mit dem Kanzler/Präsidenten persönlich sprechen zu wollen, erfolgt eher die Inhaftierung oder Einweisung in eine psychiatrische Anstalt als ein Gelingen des Vorhabens.

Drohbrief

Man stelle sich vor, der Verfasser dieser Schrift würden darauf bestehen, diese Zeilen mit Frau Merkel (unter Beisein Herrn Gabriel) zu diskutieren. Ein, von einem Juristen abgefasster, Drohbrief würde zugestellt. Die Androhung von Zwangsgeldern für den Fall des Versuches einer erneuten Kontaktaufnahme wäre eher zu erwarten, als die Zutrittserlaubnis zum Kanzleramt.

Uniformität

In großen Staaten können persönliche Einflüsse, Wünsche und Begehrlichkeiten – kanalisiert durch Formalitäten und bürokratische Vorgänge – nur über Organisationen Gehör finden. Gute Organisationen (größeren Ausmaßes) setzen aber totalitäre Uniformität voraus und nicht demokratische Vielfalt. Querdenkermeinungen müssen so zwangsläufig im Meer der gleichgeschalteten gut ´verdaulichen´ Meinungen untergehen. Denn nur diese Meinungen und Ansichten haben die Chance öffentlich zu werden und somit den runden Tisch der ´Konsensgesellschaft´ zu erreichen.

Wer nicht das denkt was alle denken wird Außenseiter. Im schlimmsten Fall wird sie/er aus dem Verkehr gezogen. Der Einfallsreichtum der Mächtigen in großen Staaten diesbzgl. ist kolossal.

Ausschalten

Man erklärt unbequeme Forscher für verrückt, kritische (Atomkraft-) Wissenschaftler bezichtigt man des Ausplauderns von geschützten Daten. Politiker, die der Waffenindustrie und/oder deren Lobbyisten in die Quere kommen werden ermordet. Staatsmänner die ´störende´ Friedensprozesse fördern erleiden das gleiche Schicksal, und, und, und…

Die Würde

Der Bürger von großen Massenstaaten muss also zwangsläufig das Vertrauen in seine eigene Bedeutung verlieren. Seine große persönliche Würde wird ihm nur als Bürger eines Kleinstaates gegeben, weil nur hier die organisierte Macht des Volkes niemals groß genug werden kann, um dem Individuum den Glauben an seine persönliche Existenz und sein Schicksal als Mensch zu nehmen.

Die ideale Größe

Wie groß muss eine Gesellschaft sein, um eigenständig lebensfähig zu sein? In Anlehnung an die Überlegungen Leopold Kohrs kann festgestellt werden:

Wirtschaftlich ist eine Gemeinschaft groß genug, wenn sie genügend Nahrungsmittel bereitstellen kann, alle benötigten handwerklichen Tätigkeiten ausüben und gemeinschaftlich, elementare infrastrukturelle Aufgaben (Straßenbau, Bewässerungskanäle etc.) bewältigen kann.

Politisch, soll der Staat ein Minimum an Arbeitsteilung organisieren, um ein Mindestmaß an innerer Ordnung und äußerer Sicherheit zu gewährleisten und dabei die höchsten Bedürfnisse des Menschen abdecken, nämlich sein Verlangen nach Kultur (meint: Kunst, Musik, Sport und Gemeinsinn) sowie Wissenschaft (eine medizinische Grundsicherung beinhaltend) zu befriedigen. Ansonsten wird der Bürger immer ärmer, je größer der soziale Apparat wird. Sprich: Der Staat agiert ausschließlich zum Wohle des Bürgers.

Es gilt: der Mensch ist das Maß aller Dinge (Protagoras).

Salzburg

Aber lassen Sie uns kurz den Blick in die Vergangenheit richten: Mit einer Einwohnerzahl von weniger als 100.000, schuf das Erzbistum Salzburg, zahlreiche wunderschöne Kirchen, eine Universität, 6 Theater, und mehrere höhere Schulen – allein in seiner kleinen Hauptstadt.

Die frühen griechischen, römischen und deutschen Stadtstaaten, leisteten ähnliches mit 10 bis 20 Tausend (TSD) Einwohnern. Ein Land wie Andorra, mit weniger als 40.000 Einwohnern (davon 12 TSD Andorraner), lebt seit 1278 in Frieden und Eintracht und erfreut sich einer gesunden und stabilen Existenz. Desgleichen gilt für Monaco mit 27 TSD seit 1731 und Liechtenstein mit 26 TSD Einwohnern seit 1806.

Aristoteles

Früher wie heute gilt was einst der große Denker Aristoteles in seiner ´Politica´ (7. Buch) geschrieben hat: ´Es ist also klar, dass der beste Maßstab für einen Staat ist: die höchste Zahl der Einwohner, die noch überschaubar bleibt und ein Leben in Autarkie ermöglicht.´

Die Kleinstaatenwelt

Eine-Welt oder Kleinstaatenwelt? – oder …wie alles anfing

In einer Beziehung sind unsere großen und entwickelten Staaten des 21. Jahrhunderts schon eine riesige Einheit geworden: Wir leben in einer Welt-Informations-Gesellschaft. Wenn ein Al-Qaida Kämpfer Kabul betritt, werden wir von politischen und militärischen Schockwellen getroffen.

Wenn ein nordkoreanischer Soldat am 38. Breitengrad niest, werden amerikanische und südkoreanische Soldaten in Kampfstellung gehen. Wenn am Nordpol ein Forscher im Schneesturm erfriert, werden wir (bei 30° im Schatten) zum Mittrauern genötigt.

Jeden Tag nehmen wir unfreiwillig Anteil am täglichen Blutvergießen, an Morden und Massakern, was – nebenbei erwähnt – immer häufiger der Grund für unsere (Existenz-)Ängste wird.

Dem können wir nur die ´isolierenden´ Grenzen einer Kleinstaatenwelt entgegensetzen. Zudem wird von der dort zwangsläufig existierenden Nähe der größte Teil unseres ´Informationshungers´ absorbiert…ohne der friedenssichernden und kulturstiftenden Idee eines vereinten Europas/einer vereinten Welt die Notwendigkeit absprechen zu wollen.

Das Universum

Das Gesetz des Universums ist Vielfalt nicht Vereinheitlichung. Das Werk Gottes (, Allahs oder wie auch immer man sie/ihn nennen mag) besteht aus unzählbaren, individuell verschiedenen Schöpfungen (und nicht einer einzigen großen Einheit).

Alles spricht für die Kleinstaatenwelt – nur die Begrenztheit des Menschen spricht dagegen! So versucht sich der Mensch in einer Großstaatenwelt, die über seinen Horizont der Gestaltungs- und Vorstellungskraft längst hinausgewachsen ist.

Regierungsenergie

Schon die bloße Aufrechterhaltung des politischen Apparates (interne Bürokratie und Administration) beansprucht heute den größten Teil der ´Regierungsenergie´. Praktisch die gesamte Energie – nicht nur des Beamtenapparates, sondern auch der Bürger (über die Steuer- und Abgabenlast) – wird heute verbraucht beim bloßen Versuch, die zu großen und dadurch unbeweglichen und trägen Massen (Gesellschaften) in Betrieb zu halten und den Kollaps ihrer Sozialdienste zu verhindern.

Das Verschwinden

Die globale Wirtschaftsweise und unser geschickt gesteuertes Massenkonsumverhalten lassen unmerklich ganze Bereiche unseres kulturellen Erbes verschwinden. So werden heute einige Handwerkskünste überhaupt nicht mehr ausgeübt. Anderen steht das Aus unmittelbar bevor. Für das bedeutendste Keltenmuseum Europas in Hochdorf bei Stuttgart benötigte man einen Schmied, der noch eine spezielle Bearbeitungstechnik im Radbau beherrschte. 2 Jahre (!!) musste man über Handwerkskammern, Fachzeitschriften, Radio und Fernsehen bundesweit suchen, bis man schließlich einen Meister fand, der diese Technik noch beherrschte.

Venedig

Ein selbstkritischer Blick zurück in unsere Geschichte verweist uns wiedereinmal auf die Vorzüge einer Kleinstaatenwelt. Das Wirrwarr aus Stadtstaaten und kleinen Ländern wie: Neapel, Sizilien, Florenz, Venedig, Bayern, Baden, Frankfurt, Hessen und Sachsen gab uns herrlich Städte, Kathedralen, Opernhäuser und Universitäten. Künstler wie Dante, Michelangelo, Raffael, Tizian, Goethe, Heine, Wagner, Kant, Dürer, Beethoven, Bach und hunderte (!) andere erlangten Weltruhm.

Die Kultur

Was haben dagegen die zwei großen Staaten des 21. Jahrhunderts (Italien und Deutschland) dem an kulturell Gleichrangigem entgegenzusetzen?

Faschistische Monumentalbauten und zwei größenwahnsinnige Führergestalten. Am Ende dieser Ära stand eine beispiellose Zerstörung, die wiederum die Innovationskraft zweier Großstaatenvölker freisetzte mit dem Resultat, welches wir heute im 21. Jahrhundert bestaunen dürfen. Die Ausgaben für Bildung und Kultur haben in beiden Ländern einen historischen Tiefpunkt erreicht, dafür beglücken uns die (Beton-) Künstler unserer Zeit mit gigantischen Straßenbauten. An die Stelle von (neuen) Opernhäusern, Bibliotheken, etc. treten nun ´Konsumtempel´ in denen wir Dinge zu kaufen, die wir nicht brauchen, von Geld, das wir nicht haben, um Leute zu beeindrucken, die wir nicht mögen.

Der Fortschritt

Insofern ist der Wunsch nach einem Europa/einer Welt der kleinen Staaten, der kleinen Regionen, kleiner Wirtschaftsräume (mit der entsprechenden Wertschöpfung) nicht Rückschritt, sondern  lebens-erhaltender und kulturbewahrender Fortschritt. Und um es an dieser Stelle noch einmal zu betonen: Ein Europa ohne Grenzen, eine Europäische Währung, eine gerechte Welthandelsordnung, soll der Nährboden dieses Wunsches sein.

Das Übel

Es bleibt zudem festzustellen, dass die Größentheorie das Übel nicht beseitigen kann, sondern helfen soll es zu minimieren. Das Resultat heißt nicht: hier Massenarbeitslosigkeit dort Vollbeschäftigung, sondern Verteilung auf mehr Köpfe (Teilzeit), Rückbesinnung auf Qualität (mehr Handarbeit) und neue Beschäftigungsfelder (z.B. Bürgerarbeit). Nicht: hier Wohlstand dort Armut, sondern Umverteilung. Nicht: hier Krieg, dort Frieden, sondern hier großer Krieg, dort kleiner Krieg. Nicht: hier Kriminalität dort Tugend, sondern hier große Kriminalität, dort kleine Kriminalität, u.s.w.

Nebenerscheinung

Dass davon schließlich auch die (Mit-) Menschlichkeit profitiert, ist wohl die schönste Nebenerscheinung der Welt. Denn wo kleine Größe, da kleine Macht. Und wo kleine Macht da keine oder nur kleine Unterwerfung und Unterdrückung. Und wo keine Unterdrückung, da lebt (und blüht) der Geist.

Welche Auswirkung hat die Größe auf den Einzelnen?

Soziales Elend

Ist es vielleicht so, dass der Mensch ab einer kritischen Masse – quasi gegen seinen eigentlichen Willen – zum brutalen, ungerechten Menschen wird? Wenn ja, wie groß muss dann die kritische Masse sein, die zu Machtmissbrauch führt?

Sicherlich sind zwei prinzipielle Unterscheidungen zu treffen: bei Männern ist die kritische Masse eher erreicht als bei Frauen und auch bei den Männern wird es Unterschiede geben (der eine lässt sich schneller zum Machtmißbrauch hinreißen, als ein anderer).

Indira Ghandi

Ab einer gewissen Konzentration von Macht, scheint jedoch auch der friedliebendste Mensch zum Machtmißbrauch zu neigen. Wie anders ist es sonst zu erklären, dass der friedliebende Wegbegleiter Gandhis, Nehru in seinem ersten Jahr an der Macht gleich 2 Kriege führte (gegen Haiderabad und Kaschmir) und seine ebenfalls so friedliebende Tochter Indira, Pakistan bekriegte und Nepal auf höchst aggressive Weise ihren Willen aufzwang. Die Liste ließe sich quer durch alle Nationen und soziale Schichten beliebig fortführen.

Soldaten

Wenn Gefängniswärter generell als brutal, Krankenhausärzte als verletzend arrogant, Soldaten als Mörder und Vergewaltiger gelten, dann liegt dies nicht daran, dass sie von vornherein schlechter als andere Menschen sind. Vielmehr sind sie in Beziehung zu ihrem Gegenüber (Strafgefangenem, Kranken, Zivilisten) mit einer kritischen Masse an Macht ausgerüstet. Fehlt diese, sind sie so bescheiden, einfühlsam und fromm wie jeder andere Mensch auch.

Der Henker

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Größe der Gemeinschaft und der Häufigkeit von Verbrechen und einer damit korrespondierenden Geisteshaltung? Nämlich einer, die Verbrechen billigende Philosophie – wenn der´s macht, kann ich´s ja auch tun?

Im 18. Jhdr. einen Henker in der kleinen Alpenrepublik zu finden, war fast unmöglich. Nur die Tarnung durch die Henkerskapuze und der damit verknüpften Anonymität ließ überhaupt die Suche erfolgreich sein. Der Henker selbst hat wohl eher den Drang empfunden, sich zu entschuldigen für sein Werk, als um neue ´Arbeit´ zu bitten. Eine ordentliche Beerdigung des Getöteten war selbstverständlich.

Die Nazis

Die SS-Schergen im Nazideutschland ließen die zu Erschießenden in 10er Reihen, direkt vor der Grube, in die sie stürzen sollten antreten, um sich anschließend noch stolz neben den mit Leichen gefüllten Erdlöchern photographieren zu lassen. Nicht etwa Nazideutschland und das damit verbundene moralische Klima haben die Abgebrühtheit der SS-Schergen bedingt (gleiches finden wir in Serbien, Chile, Nigeria, Uganda etc.) sondern vielmehr die Masse, Anzahl und Macht – in letzter Konsequenz die soziale Größe. Sie ermöglichte nicht nur die Häufigkeit, sondern auch die Philosophie des Verbrechens.

Macht

Wie die Gesellschaft und mit ihr die Macht wächst, so wächst auch ihr korrumpierender Einfluß auf den Geist. Oder: Relative Macht korrumpiert relativ, absolute Macht absolut.

Haben Unternehmen eine bestimmte Größe erreicht, regieren Sie anstelle der Politik. Korrumpieren Steuer- und Wirtschafts-verwaltungen. Lösen Politiker ab und erzwingen Gesetzes-änderungen.

Abstumpfung

Beim gewöhnlichen Volk – stellt sich aus Selbstschutzgründen – eine moralische Abstumpfung ein, welche den Nährboden für weitere potentielle Verbrecher bietet. Wäre dem nicht so, würde unsere Erfahrung als Zeuge der täglichen Scheußlichkeiten und des zunehmenden Leides bald unser Mitgefühl überfordern und uns umbringen. So scheint es parallel zum Gesetz abnehmender Wertschätzung, das Gesetz abnehmender Sensibilität oder Sensitivität (Feinfühligkeit) zu geben.

Bekommt man einmal im Jahr (zum Geburtstag) ein außergewöhnliches Geschenk, so weiß man dies besonders zu schätzen. Bekommt man jede Woche ein solches Geschenk, langweilt es einen geradezu. Was jedoch für das Individuum in erster Linie Selbstschutz bedeutet, fördert gesamtgesellschaftlich die Entwicklung einer die Verbrechen billigende Philosophie.

In der Wirtschaft zeigen sich diese Tendenzen im Bereich der Wirtschaftskriminalität, sinkender Zahlungsmoral zwischen den Marktteilnehmern und im Anlagebetrug, wo inzwischen im 3-stelligen Milliardenbereich Kapital vernichtet wird.

Die Kontrolle

Die starke soziale Kontrolle, sowie die zentrifugal wirkenden Trends und Bedürfnisse der Individuen und der ebenso individuellen Kleingruppen werden eine solche Entwicklung innerhalb einer kleinen Gesellschaft erst gar nicht zulassen.

Die Dichte

Ist die quantitative Größe der alleinbestimmende Faktor? Sicher spielt der Faktor Dichte – eine zahlenmäßig kleine Gruppe von 1000 Menschen in einer großen Sporthalle, bringt die gleichen Probleme für das Individuum wie für die Einwohner einer Millionenstadt – wie auch Stand und Entwicklung des organisatorischen, technologischen und ökonomischen Fortschritts – eine Rolle.

Jedoch sind diese beiden qualifizierenden Merkmale häufig erst das Resultat einer großen (oder größer werdenden) Gesellschaft.

In einem (begrenzten) Gebiet mit wachsender Bevölkerung wird die Gesellschaft automatisch dichter. Und der größer werdende (meist ineffektive) Verwaltungsaufwand sowie der zwangsläufig benötigte ökonomische und technische Fortschritt vergrößern zwangsläufig zugleich auch die Geschwindigkeit (und das Transportaufkommen). Und sei es nur die Integration entfernterer Mitglieder der  Stadtbevölkerung in ihr Zentrum, längere Anfahrten zum Arbeitsplatz, zu Behörden, zum Einkaufen etc.

Die 3 Mio. Einwohner von Chicago produzieren jeden Monat 2000 Einbrüche, 1000 Raubüberfälle mit Waffengewalt und 100 Mordopfer. Die gleiche Anzahl Menschen in Kleinstädten und auf dem Lande in der Schweiz kommt nicht einmal auf 5% dieser Zahlen!

Verringerung

Verhindern kann man das Elend nur, indem man die macht- (und verbrechen-) ausbrütende soziale Größe auf einer subkritischen Ebene hält.

Dies kann auf 2 Arten erfolgen:

a) durch Zunahme der kontrollierenden Macht bis sie ein deutliches Übergewicht zur herausfordernden Macht hat (Gefahr: Polizeistaat oder Militärdiktatur)

b) indem man das Problem an der Wurzel packt und die soziale Größe verringert, so dass eine Anhäufung und Kondensierung kollektiver Macht bis zum Gefahrenpunkt einfach nicht entstehen kann.

Denn ist die Masse Macht erst einmal wesentlich größer als die Gesamtsumme von Macht der anderen, wird daraus scheinbar zwangsläufig Aggression. Sie scheint die Ursache aller Kriege und Unterdrückung zu sein.Sogar der oberflächliche historische Überblick bestätigt diese Beziehung (Einschätzung).

So sind heute Länder wie Norwegen, Dänemark, Schweden, Holland und Portugal die friedlichsten Länder dieser Erde. Zu Zeiten großer Macht, führten sie ihre unglaublich brutalen Kolonialkriege und unterwarfen in bestialischer Art und Weise alles und jeden, der sich ihnen in den Weg stellte.

Damals wie heute mussten und müssen jedoch in Zeiten wirtschaftlichen Niedergangs zwangsläufig Kriege initiiert werden. Die wiederum Wiederaufbau-Investitionen in machtvergrößernden Dimensionen erfordern.

Finanzmacht

Wenn sich auch im 21. Jahrhundert die Machtinstrumente in Richtung der Ausübung von Finanz- und Wirtschaftsmacht verändern – heutzutage üben Einzelpersonen (Gates), kleine (Hedge-)Fonds, oder andere Gruppen (z.B. Mafia) über ihre Finanzkraft unvorstellbar große Macht aus – die Bedingungen, die dies ermöglicht haben und ermöglichen sind dieselben wie vorab beschrieben.

Die Seele

Welche ´Umgebungs-Faktoren´ sind für das Vermeiden von sozialem Elend vonnöten?Neben der Grundvoraussetzung: subkritische Größe, müssen wir uns wohl auch noch mit der menschlichen Seele an sich befassen. Denn ist es nicht so, dass jeder von uns zur Untugend neigt, führt man ihn erst in Versuchung?

Eine Handgranate können wir erst dann werfen, wenn wir eine besitzen. Bei rot gefahrlos für den Geldbeutel nur dann über die Kreuzung fahren, wenn wir uns sicher sein können, dass weder die Polizei noch eine Radaranlage wacht.

Unerkannt schwarzfahren erst dann, wenn es als sicher gilt, dass nicht kontrolliert wird. Etwas aus der Firma mitnehmen, mit fremder (firmeneigener) Energie oder sonstigen betrieblichen Ressourcen verschwenderisch umgehen, wenn keiner schaut.

Gelegenheit

Gelegenheit macht Diebe! Dieses ebenso wahre wie bedeutungsvolle Sprichwort bringt Mütter dazu, Marmelade und Gummibärchen außerhalb der Reichweite der Kinder aufzubewahren, denn selbst die freundlichsten Ermahnungen können die Kleinen nicht davon abhalten, bei günstiger Gelegenheit zuzugreifen. Nicht etwa weil sie schlechte Menschen sind, sondern weil sich die Gelegenheit ergeben hatte. Wir sehen, Tugend oder Untugend ist nur in begrenztem Umfang eine Qualität der menschlichen Seele. Vielmehr sind sie immer auch eine automatische Reaktion und Widerspiegelung eines rein äußerlichen Zustandes, nämlich des gegebenen Volumens an Macht.

Die Versuchung

Wenn bei entsprechender Gestaltung des ´Umgebungsfaktors´ jede Tugendhaftigkeit verschwindet – sich also vermehrt Gelegenheiten bieten – dann müssen die Bedingungen so gewählt oder gestaltet werden, dass der Mensch erst gar nicht in Versuchung geführt werden kann. Folgerichtig muss es heißen: gebt den Männern keine Waffen, den Profitsüchtigen keine Chance ihre Sucht zu pflegen, den Rasern kein Auto; macht Polizisten entbehrlich, u.s.w.

Appelle

Können Appelle an den ´gesunden Menschenverstand´ oder Drohungen die Entwicklung kritischer Masse verhindern? Hitler hatte vor Kriegsausbruch gesagt, er wolle nicht den Fehler des Kaisers wiederholen, einen Krieg gleichzeitig an 2 Fronten zu führen. Auch nicht Napoleons Irrtum, sich in die endlosen Tiefen Rußlands hineinsaugen zu lassen. Er machte beide Fehler. Napoleon hatte gesagt, er werde sein Kaiserreich nicht durch einen Angriff auf den russischen Zaren in Gefahr bringen und tat es doch. Nehru wollte überhaupt keine Kriege führen und wütete gleich zweimal.

Haben all diese Menschen urplötzlich den Verstand verloren? Bestimmt nicht. Es zeigt nur ganz deutlich, dass keine Vision, keine Weisheit oder Intelligenz die Macht zurückhalten kann, wenn sie erst einmal ihr kritisches Volumen erreicht hat.

Das Verhindern

Der einzige Weg soziales Elend zu vermeiden, besteht also nicht in Drohungen – die kommen beim bereits ´Machtberauschten´ gar nicht mehr an – oder in Appellen an den ´gesunden Menschenverstand´, an die Humanität oder Einsichtigkeit der Entscheider/der Führungsschichten. Die einzige Möglichkeit besteht darin, Macht zu begrenzen, bzw. die Entstehung von zu großer Macht von vornherein zu verhindern. Genauso wie man das Überkochen der Milch nur dadurch verhindern kann, dass man den Topf von der Flamme nimmt und nicht durch gut zureden.

Kleinheit – oder die Physik der Politik

Die Quanten

Ob Naturwissenschaftler oder Esoteriker, ob Physiker oder Philosoph, ob Pragmatiker oder Phantast, keiner kommt an der Erkenntnis vorbei, dass wir in der Welt der Kleinheit leben. Alles Große, bis hin zum unvorstellbar riesigen Universum besteht aus nichts anderem als winzig kleinen Teilchen. Ob Lukrez, mit nie übertroffener Logik in seinem Buch ´De rerum natura´: ´Was wird zwischen dem All und dem Kleinsten für Unterschied sein dann´ oder Max Planck in seiner bis heute gültigen und von vielen noch nicht einmal verstandenen Quantentheorie: „Ausstrahlende Wärme ist nicht dauerhaftes Fließen und nicht unendlich teilbar. Sie muss als zusammenhängende Masse gesehen werden, die aus kleinen Einheiten besteht, von denen jede der anderen ähnlich ist“. Sie alle weisen uns die Richtung: Die göttliche Schöpfung hat die Perfektion in das Kleine gelegt.

Atomzeitalter

Nicht umsonst nennen wir das Zeitalter, in dem die Menschheit auf dem höchsten Wissensstand angelangt ist seitdem wir Geschichte schreiben, in dem sich soziale und wirtschaftliche Kolosse in Richtung weltumspannender Organismen entwickelt haben, nicht das ´kolossale´ oder ´globale´ Zeitalter, sondern das Atomzeitalter. Wir benennen es nicht nach der größten, sondern nach der kleinsten Ansammlung von Materie.

Gleichgewicht

Und alles befindet sich im Gleichgewicht. Dieses Naturgesetz (Täler/Berge, Finsternis/Licht, Land/ Wasser) hat natürlich auch für den Menschen (Ruhen/Schaffen, Frau/Mann, Alter/Jugend) seine Gültigkeit. Alles weist auf Gleichgewicht, nichts auf Einheit/Riesigkeit/Vereinheitlichung hin. Die Architekten globaler Strukturen (diese Rufer nach der Einheit in großen Systemen), vergessen immer wieder, dass es Stabilität und Gleichgewicht nur in Systemen kleinster, mobiler Einheiten gibt. Dieses Gleichgewichtsprinzip wandelt die Anarchie unendlich vieler und ungebundener, kleinster Partikel in Systeme höchster Ordnung.

Alleine um große Systeme auch nur annähernd im Gleichgewicht zu halten, werden enorme Kräfte benötigt, da – wie wir gelernt haben – die Erosion immer stärker zunimmt, je weiter wir uns vom Zentrum der Macht entfernen. Treten an den Grenzen großer Einheiten Probleme (Kriege) auf, können diese sehr schnell zur totalen Katastrophe führen (Weltkriege).

Stellen wir uns jedoch ein Europa der kleinen Staaten vor, so sind diese wie ein großes Mobile zu sehen. Bei Erschütterungen eines (Mobile-) Teiles, bricht nicht gleich das gesamte System zusammen. Vielmehr tariert sich das Gesamtsystem nach einiger Zeit von selbst aus.

Demokratie

Warum dieses (Gleichgewichts-) Prinzip, dass doch offensichtlich für die gesamte physische Schöpfung von Gültigkeit ist, für die (ebenfalls sehr physische) Politik nicht von Bedeutung sein soll, kann wohl auch von den größenwahnsinnigen Vereinigungsverfechtern (Weltstaat, Weltbank, globale Konzerne, etc.) nicht erklärt werden. Vor allem nicht in Anbetracht der Tatsache, dass es kein System gibt, das dem Konzept der Einheit und Vereinheitlichung so sehr widerstrebt, wie jenes der Demokratie. Mit ihren Modellen einander ausgleichender Parteien und gleichmäßig aufgeteilter Macht (z.B. Gewerkschaften/Arbeitgeber).

Lösung durch Teilung?

Rückschritt?

Teilung, Zersplitterung zu groß gewordener Einheiten, das ist der Weg in die Rückschrittlichkeit!

So tönt es von Seiten der Vereinigungsstrategen. Nur ein flüchtiger Blick auf einige Modelle unseres täglichen Lebens belehren uns diesbzgl. eines Besseren. Hier lässt sich leicht erkennen, dass ab einem gewissen Punkt, die Reichhaltigkeit unserer Existenz und die Vielfältigkeit unseres Umfeldes nicht mehr durch den Prozeß der Vereinigung und/oder Vereinheitlichung gefördert wird, sondern durch Aufteilung!

Aufteilung

Das Jahr wird fassbar, dadurch dass wir es in 365 einzigartige Tage trennen. Der Tag wird überschaubarer, wenn er in Stunden aufgeteilt wird. Ein Haus wird interessant durch trennende Wände, die Raum für außergewöhnliche Zimmer schaffen. Ein Tanker wird näherungsweise unsinkbar gemacht, durch Aufteilung seiner Schiffshaut in viele, isolierte Kammern. Ein Flugzeug wird sicherer, indem man statt einem mehrere Motoren einbaut. Je mehr ein Mechanismus selbstbalancierend und ausgereift ist, desto mehr Teile (oder Verstrebungen/Vernetzungen) hat er.

Evolution

Nichts deutet auf Einheit, alles auf Teilung und Vielfältigkeit. Statt sich seit der Entstehung des Lebens zu uniformen und wenigen großen einheitlichen Lebensformen hin zu entwickeln, brachte die Evolution immer größere Aufteilung und Vielfältigkeit – und wir nennen es Fortschritt! Die göttliche Schaffenskraft hat uns bis heute – obwohl der Mensch immer mehr zerstörerisch in dieses Werk eingreift – eine ständig anwachsende Zahl der Gattungen, Arten, Formen und Farben gebracht.

Der Mensch – statt eine einheitliche große Masse zu bilden – hat sich in unzählige Sprachräume, Rassen, Nationalitäten und Kulturen aufgespalten und lernt in zunehmendem Maße seine technischen und umweltbelastenden Probleme, über Anleihen bei der vielfältigen Natur zu meistern (Bionik, Kybernetik).

Schlußbetrachtung

Argumente

Sicher wird es nun – trotz der überzeugenden Argumente wieder Menschen geben, die dies, sowie alles was mit Teilung, Dezentralisierung, Verkleinerung von Strukturen zu tun hat, mit dem Begriff der ´Rückschrittlichkeit´ betitulieren werden. Diese Zauderer möchte ich mitsamt der Größentheorie an den Zukunftsforscher Frithjof Bergmann verweisen. Der in den USA (Michigan) lehrende Professor Frithjof Bergmann umschreibt die Rückbesinnung auf kleine, dezentrale Strukturen mit dem Kunstwort: New Work oder die Zeit der dritten Revolution.

Selbstversorgung

Der in der Fachwelt als Wirtschaftszukunftsguru gehandelte Wissenschaftler propagiert seine Konzepte als das high-tech self-providing-model. So lässt er zum Beispiel in einem Versuchsprojekt Menschen ihre eigenen Häuser aus Hochtechnologieteilen bauen bzw. renovieren. Zugleich züchten sie dort Obst und Gemüse zur Selbstversorgung. Er nutzt die Kirchen als Zentren der Weiterbildung und Informationsvermittlung. Hier lernen die Menschen u.a. wie man ein Geschäft führt. Eines seiner Hauptanliegen: die Schaffung von dezentralen Selbstversorgungs-zentren.

Die Hälfte

Seine Analyse: Die Hinwendung zu kleinen, überschaubaren, dezentralen Dimensionen wird kommen, da das von schierer Größe geprägte, heutige Wirtschaftssystem keine Lösungsmöglichkeiten mehr anbietet. So werden – bei Fortschreibung der Entwicklung – in absehbarer Zukunft nur noch die Hälfte der heute existierenden Arbeitsplätze existieren (So sind die Scanner an den Supermarktkassen auf den ersten Blick ein Segen für die Kunden, es geht schneller. In der Folge fallen jedoch nicht nur im Kassenbereich sondern auch im Rechnungswesen und in der Lagerhaltung Arbeitsplätze weg). Den Rest erledigt die Digitalisierung. Aber auch für das Dienstleistungsgewerbe sieht er schwarz: In den Restaurants kocht zukünftig der Gast selbst. Er nimmt die Fertignahrung aus dem Regal und schiebt sie in die Mikrowelle. Sein Tablett incl. Essgeschirr wandert anschießend über ein Transportband direkt in die Geschirrspülmaschine.

Rückbesinnung

Dass Frithjof Bergmann zugleich einer der vielbeachtetsten Wirtschafts- und Zukunftsforscher ist, stützt uns nur in unserer Einschätzung, dass das 21. Jahrhundert – trotz aller Globalisierungsbestrebungen – nicht nur das Jahrhundert der (Finanz-)Krisen, der Digitalisierung und der ´sozialen´ Netzwerke, sondern auch das Jahrhundert der Rückbesinnung auf kleine Einheiten sein wird.

Begeisterung

Vielleicht konnten diese Zeilen Sie werte Leserin/werten Leser etwas für die Größentheorie begeistern. Wenn Sie ihr am Ende auch nur ein kleinwenig abgewinnen können, kann so manche daraufhin eingeleitete kleine Veränderung, große Auswirkungen haben.

(Text aus Essay des Autors zur Festschrift: 50 Jahre Grundgesetz / Herausgeberin: Hamm-Brücher – 1998)