Systemwechsel

„Angesichts der klimatischen und humanitären Zustände auf unserem Planeten wird in letzter Zeit immer häufiger die Frage gestellt: brauchen wir nicht einen Systemwechsel (weg vom heute gelebten Kapitalismus)? Manche Staatstheoretiker gehen sogar noch weiter und stellen gar unser Demokratiemodell in Frage (siehe unten).

Die Begründungen lauten immer wieder: „Der Kapitalismus hat sich zu Tode gesiegt“ bzw.: „Ein Wirtschaftssystem dessen Lebenselixier Profitstreben und Akkumulation ist und das damit eine Katastrophe nach der anderen ausgelöst hat und auslöst, kann per se keinen Beitrag zur Gesundung des Planeten und der Menschheit leisten.“ Oder um mit Albert Einstein zu sprechen: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind“.

Die Frage scheint nur noch zu sein: „Durch welches System soll der heute gelebte Kapitalismus abgelöst werden?” Einige der hier gehandelten Alternativvorschläge hören sich – zumindest für heutige Zeiten (und Ohren) – etwas utopisch an. Andere sind schon wissenschaftlich begründet und zu Ende gedacht. Häufig hört man jedoch bei der Bewertung dieser Alternativentwürfe Sätze wie: „Dann bricht ja alles zusammen, ganze Staaten werden kollabieren; in die reichen Industrieländer kehrt Armut und Hunger zurück, etc.“

Dazu an dieser Stelle nur so viel. Die, die um ihre Pfründe bangen, werden natürlich die ganz große Trommel schlagen und nichts unversucht lassen, ein lähmendes Angstszenario aufzubauen.

Sicher ist im Falle eines Systemwechsels nur Eines: Es wird immer Gewinner und Verlierer geben. Je wirkungsvoller und umfänglicher das System ´Profitstreben und Akkumulation´ verlassen wird, um so größer werden die Verluste des einen Prozentes der Wohlhabenden werden, die 99 Prozent des Vermögens auf diesem Planeten an sich gerissen haben.* Deshalb wird der „Verteidigungskrieg“ auch heftig und gnadenlos werden. * Die Ungleichheit in der Welt wächst immer schneller. Laut Oxfam besaß 2017 das reichste Prozent der Weltbevölkerung  mehr als die restlichen 99 Prozent.


Als smartes Alternativmodell zum heutigen (Turbo-)Kapitalismus wird die  Postwachstumsökonomie gehandelt. Hierbei geht es um einen kulturellen Wandel hin zu maßvollen Versorgungs- und Wirtschaftsstrukturen. Diese kennzeichnen sich durch weniger Konsum, einem gewissen Maß an Selbstversorgung (Stichworte Suffizienz und Subsistenz) und Regionalisierung (im Bereich Handel und sonstige Dienstleistungen) aus. Verbraucher werden immer mehr zu Produzenten. Experten sprechen hier von Prosumenten. Eine Postwachstumsgesellschaft würde vor allem nur das verbrauchen was jeweils (im Bedarfszyklus) nachwachsen kann. Geschlossene Kreisläufe (in den Bereichen: Produktion, Müll, etc.) treten an die Stelle offener (Verschwendungs-)Systeme. Benötigte Energie wird regenerativ erzeugt.

Weitere Alternativmodelle haben u.a.: Serge Latouche, Alberto Acosta, Leopold Kohr, Robert und Edward Skidelsky entwickelt.

Letztendlich ist aber insbesondere die Kreativität der heutigen Jugend gefragt, einen neuen Konsens für das Miteinander von Natur, Tier und Mensch zu finden. Ein System völlig losgelöst von den heutigen Maximen (Profitstreben und Akkumulation); geprägt von humanistischem Gedankengut (u.a. gleiche Entwicklungs- und Bildungschancen für Alle) eingebettet in die Grundregeln der Kybernetik.

Vielleicht wird es ja tatsächlich ein System sein, welches vorwiegend von Frauen erdacht, umgesetzt und gemanagt wird. Und um diesen Gedankengang aufzugreifen: der Autor favorisiert den Entwurf von Regine Hildebrandt.


Auch von anderer Seite wird über einen Systemwechsel nachgedacht. So diskutieren Staatstheoretiker bereits seit Jahren darüber, ob unsere Demokratieform überhaupt noch handlungsfähig ist. Die Einflussnahme des Kapitals sei so ausschlaggebend geworden, dass die Politik das Geschehen überhaupt nicht mehr bestimmen könne. Man konstatiert seitens der Wissenschaftler die Entstehung eines parallelen Systems der Machtausübung. Hier sei das chinesische Modell  (dem der Demokratie) überlegen. Ein hohes Maß an Lernfähigkeit, Orientierung an langfristigen Zielen sowie eine stringente Umsetzung der entsprechenden wirtschaftlichen Rahmengesetzgebung sorge für eine effektive Staatsführung.

Dies mag vordergründig wohl stimmen. Aber versucht man hier nicht den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben? Ganz abgesehen davon, dass die Themen Pressefreiheit und freie Meinungsäußerung im gelobten System leider außen vor bleiben müssen.


Wäre es also nicht sinnvoller, die Demokratie zu heilen? Streng gemäß dem Motto: „Gefahr erkannt – Gefahr gebannt.“ Sprich, im ersten Schritt sollte endlich das offensichtlich Demokratie hinderliche Lobbyistentum abgeschafft werden.

Nutzt man nun noch die Vorzüge des demokratischen Systems, wie Transparenz und Rechenschaftspflicht und sorgt dafür, dass die externen*, beratenden Gremien heterogen zusammengesetzt sind – sprich, hälftig sitzen auch die kritischen Stimmen: NGOs, soziale Bewegungen, etc. mit am Tisch – könnte man die Handlungsfähigkeit schnell wieder herstellen.

* heute schreiben externe Berater – zumeist große Anwalts- und Wirtschaftsprüferkanzleien – komplette Gesetzestexte, die die Politiker nur noch abnicken dürfen.