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„Sich mit der Thematik ´Verzichten´ zu befassen ist nicht gerade sexy“.
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„Verzicht hat so etwas von Steinzeit.“
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„Wollen wir uns einschränken oder wollen wir Spaß haben?“
- „Warum wir sehenden Auges in die (Klima-)Katastrophe laufen“.
Die Punkte im Einzelnen:
– Wer bestimmt eigentlich, was wir als sexy empfinden sollen. Ein Schelm wer hier daran denkt, dass die Konsumgüterindustrie den Gefühlstakt vorgibt.
– Ein Verzicht auf die Wachstums-Doktrin – sprich ein Wechsel in die gelebte Postwachstumsökonomie (um exemplarisch eine mögliche Form eines Systemwechsels herauszugreifen) – würde uns das (Wohlstands-)Niveau der späten 60er Jahre* bescheren. * richtig: zu dieser Zeit hat ein großer Teil der (damals) jungen Generation zum Aufstand gegen das ´Establishment´ geblasen – unter dem Motto: „Der Wohlstand hat euch bequem und blöd gemacht“
– Alles mitnehmen was möglich wäre können wir doch schon heute nicht mehr. Alle 3 Monate wird ein neues Automodell, das noch bessere Smartphone, der noch besser auflösende LED-Fernseher, das noch flachere Tablet vorgestellt. …und gönnen wir den (nachfolgend beschriebenen) ´Spaß´ auch dem Rest der Welt?
2012 gingen allein in Deutschland 10 Millionen Fernseher, 13 Millionen Computer, und 22 Millionen Smartphones über den Tresen*. Mit dem Konsumrausch der westlichen Welt war unser Globus schon mehr als überfordert. Drei (!) Welten hätten wir eigentlich dafür gebraucht den Ressourcenverbrauch der ´entwickelten´ Welt einigermaßen nachhaltig zu verdauen. Dabei ist die Mehrheit der Menschheit bislang von diesem ´Spaß´ ausgeschlossen. *Quelle:http://www.derhandel.de/news/technik/pages/UE-Branche-Markt-fuer-Unterhaltungselektronik-schwaechelt-8931.html
Und…Asien, Afrika und Südamerika sind in einem epochalen wirtschaftlichen Aufbruch. Diesen Menschen zu erzählen, weniger sei mehr erscheint unredlich. Viele dieser Menschen verfügen nicht einmal über Strom, fließend Wasser und/oder entsprechende sanitäre Einrichtungen. Sprich, in Sachen Verzicht müssen wir hauptsächlich die ´entwickelte´ Welt (also uns) in die Pflicht nehmen.
Weshalb es uns so schwer fällt, über Verzicht zu sprechen, geschweige denn tatsächlich zu verzichten:
„Selbstwertgefühl“ Man hat uns beigebracht, dass Gegenstände (hier Konsumgüter) Selbstwertgefühl vermitteln. Hast du ein schickes Auto oder ein teures Smartphone, dann bist du wer. Menschen, die sich bewusst dem Konsum verweigern, berichten, dass das größte Problem nicht das Verzichten selbst ist. Viel größer wäre die Angst vor der Ächtung innerhalb des Freundes- oder Bekanntenkreises. So informieren viele vorab ihr soziales Umfeld über den geplanten Konsumverzicht, um nicht als Loser oder Habenichte geoutet zu werden.
„Das Naturgesetz“ Damit uns erst gar keine Zweifel am beständigen Konsumieren kommen, wird uns von Seiten der Wirtschaft und Politik unentwegt die Notwendigkeit eines beständigen Wirtschaftswachstums eingeimpft: „Nur bei beständigem Wirtschaftswachstum kann Wohlstand und Reichtum gemehrt und gehalten werden“. Zweifel sind nicht zugelassen – als handele es sich um ein Naturgesetz.
„Freiheit“ „Verzicht macht unfrei bzw. beschränkt unsere Freiheit.“ Die Frage muss gestattet sein, ob Freiheit vorrangig die Freiheit des unbegrenzten Konsumieren ist. (Oder um Mahatma Gandhi zu zitieren: „Reich wird man erst durch Dinge, die man nicht begehrt.“)
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„Warum wir sehenden Auges in die (Klima-)Katastrophe laufen“.
Um uns herum toben immer verheerendere Stürme; die Polkappen schmelzen ab, der Meeresspiegel steigt und ganze Landstriche versinken; die Ozeane sind überfischt und werden zu gigantischen Plastikmüllhalden, das 2-Grad-Ziel (maximal verkraftbarer Welttemperaturanstieg) ist nicht mehr realisierbar und wir sitzen ganz entspannt mitten drin. Letztendlich verhalten wir uns wie der vom Hochhausdach stürzende, der bei jeder Etage an der er vorbeifliegt denkt: „Na ja, bis jetzt ist es ja noch gut gegangen“.
Frage: Warum ist das so?
In der Hauptsache werden wir über kulturelle Einflüsse, über unsere Lebens(um-)welt geprägt.
Bedeutet: das heutige (Wirtschafts-)Gesellschaftssystem zieht uns mit unendlich vielen Wünschen und angeblich notwendigen Bedürfnissen groß. Als Baby werden wir auf das BMW-Bobbycar gesetzt, das Teenageralter wird von youtube-Videos über den neuesten Schrei des Fingernagelstylings u.Ä. gefüllt. Und schließlich werden wir im Arbeitsleben (und danach) mit 5000 Werbebotschaften pro Tag sicher durch den Turbokonsumismus geleitet.
Legt man diese fundamentale Prägung zu Grunde, kann Verantwortungsgefühl für Natur, Klima und Mitmensch nicht einfach durch Aufklärung und Einsicht vermittelt werden.
Zu den kulturellen Mustern kommt die „Fähigkeit“ des Menschen zur Dissonanzreduktion. Mit ihr wird die Wahrnehmung der Wirklichkeit der eigenen Überzeugung angepasst. Der Raucher ignoriert die neueste Lungenkrebsstatistik mit den Worten: „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“.
Und last but not least: Der Mensch ist vor allem eines: ein Verdrängungsmeister. Man fliegt (wider besseren Wissens*) 3 x im Jahr sonstwohin und beruhigt sich – sollte mal jemand nachfragen – mit der Aussage: „Was so viele machen kann nicht falsch sein.“
* ganz weit hinten – man ist ja intelligent – ist natürlich schon klar, dass Fliegen die klimaschädlichste Art des Reisens ist und dass man damit seinen CO2-Fußabdruck auch für die Nachkommen sichtbar größer macht
So befrachtet können wir also nur ungebremst in die (Klima-)Katastrophe steuern. Hendrik Barth (Schweizer Wirtschafts-wissenschaftler) hat dazu kurz und prägnant formuliert: „Erst wenn wir ein Wirtschafts- und Geldsystem aufgebaut haben, das nicht mehr an die niedrigen Instinkte appelliert, werden wir unsere höheren Fähigkeiten entfalten können.“
Frage: Können wir diesem Teufelskreis – aus antrainierten Verhaltens-, Erwartungs- und Wahrnehmungsstandards sowie eigenen Verdrängungsmechanismen – überhaupt entkommen?
Die heute gültigen kulturellen Muster generieren ihre Wirksamkeit u.a. dadurch, dass sie niemals in Frage gestellt werden. Sie wurden dadurch quasi zu Naturgesetzen. Deshalb: In Frage stellen, in Frage stellen und nochmals in Frage stellen.
- Ist es richtig, dass eher Banken als die Meere gerettet werden?
- Macht Geld wirklich, wirklich glücklich?
- Wieso wird es einfach hingenommen, dass jedes Jahr 130.000 junge Mädchen/Frauen in Europa in die Zwangsprostitution verkauft werden?
- Wer bestimmt eigentlich, dass unsere Wirtschaft immerfort wachsen muss (und damit auch die Müllberge und die globale soziale Ungerechtigkeit)?
- Muss der Amazonas abgeholzt werden, nur damit wir genug Fleisch zu essen haben?
- Müssen wir wirklich 40, 50 oder mehr Stunden arbeiten, um uns wertig zu fühlen?
- und so weiter, und so weiter…